RAUS AUS DEM CHAOS
Raus aus dem Chaos ist der erste Teil der Serie erzählender Sachbücher zum Thema Zeitmanagement und Selbstorganisation. In dieser Reihe begleiten wir die Unternehmerin Manuela Burger auf ihrem Weg vom Chaos zur Ordnung.
TEIL 1: RAUS AUS DEM CHAOS
Wien: Die Unternehmerin Manuela Burger kämpft mit ihrem Chaos an allen Fronten des Lebens. Eines Tages verpasst sie einen wichtigen Abgabetermin, den sie nicht mehr auf dem Radar hat. Daher wendet sie sich Thomas Mangold, um ihr Chaos in den Griff zu bekommen und ihr Zeitmanagement zu verbessern. Jedoch sind nicht alle in ihrem Umfeld mit ihrer Veränderung einverstanden.
Leseprobe
Selbstmanagement by Chaos
Verdammt.
Elf Uhr.
Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?
Soll das heißen, ja, ihr Leut’, mit der Manu ist Schluss für heut’.
Manuela sank in den Bürostuhl und schloss bei dem Gedanken an den Kinderreim aus Paulchen Panther mit einem Seufzen die Augen. Im Heimbüro lag das Ende ihrer Arbeit weiter weg als der Mond von der Erde. Die Social-Media-Kampagne für den Steuerberater erwies sich aufwendiger, als sie es gedacht hatte. Sie glich einem schwarzen Loch, das gnadenlos Zeit verschluckte. Spätestens morgen musste sie Peter Andino die fertigen Postings für die kommenden drei Monate zusenden.
Manuela ächzte.
Wenn da nicht der Artikel für den angehenden Top-Speaker Siegfried Hauer im Erfolgsmagazin wäre. Außerdem stand auch die Werbeaktion für die Sudo GmbH auf dem Programm. Sie erhob sich und ging auf die andere Seite des Schreibtisches, wo sie durch den Stapel erledigter und unerledigter Papiere kramte.
Die befürchtete Hiobsbotschaft blieb aus.
Jenes Projekt hatte Zeit. Dem würde sie in ruhigeren Momenten ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Mit den Achtsamkeitsübungen aus dem Yoga würde sie sich mit der höheren Kreativität verbinden und die Inspiration in ihren Kopf strömen lassen. Vielleicht würde es sich beim Familienurlaub auf Mallorca ausgehen, sich unter eine Palme zu setzen und geniale Ideen auszubrüten. Doch diese Auszeit stand so wie die nächste Yogastunde in den Sternen.
Aus dem Badezimmer drang ein leises Piepsen an Manuelas Ohr. Es machte ihr klar, dass sie das Gewand nicht in der Waschmaschine verschimmeln lassen durfte. Sie erhob sich, verließ das Heimbüro und schnappte sich im Gang die Wäschewanne. Eine Viertelstunde später baumelten die Kleidungsstücke auf der Wäscheleine im Garten.
Liebend gerne wäre Manuela sofort in das Homeoffice zurückgepilgert, um den Feinschliff an den Postings für den Steuerberater vorzunehmen. Dies drängte, aber das Essen für den Nachwuchs hatte logischerweise Priorität. Und ins Geschäft musste sie heute auch noch, damit überhaupt etwas für die Familie auf den Tisch kam. Waschen, einkaufen, kochen und die Kinder von der Schule abzuholen, kostete täglich gut neunzig Minuten, manchmal aber mehr.
Manuela griff nach der Handtasche und machte sich auf den Weg zur Volksschule. Sie verließ das Haus und ging durch das offene Gartentor. Ein laues Lüftchen wehte durch ihr dunkelblondes Haar; das Zwitschern der Vögel vermochte sie nicht zu beruhigen. Wenn sie, wie an jedem Nachmittag, die Hausübungen der Kids beaufsichtigte, musste wahrscheinlich eine Nachtschicht her, damit sie die heute anstehenden Aufgaben schaffte. So leicht warf eine Manuela ihre Flinte jedenfalls nicht in das Kornfeld vor ihrem Haus.
Sie marschierte an dem karminroten Reihenhaus vorbei und seufzte. »Ich habe dir schon immer gesagt, dass du mit deiner Agentur noch warten sollst«, hörte sie die Stimme ihrer Mutter im Kopf. »Ein Unternehmen neben Mann und Kindern zu schaukeln ist nicht einfach. Mach lieber einen Halbtagsjob, solange Florian und Klara klein sind. Da ist es sicherer und du hast auch eine feste Struktur.«
Manuela entwich ein Schnaufen.
Sie bog in den Oberlaaer Platz ein, ging an der Kirche vorbei und erreichte gerade rechtzeitig das Schulgebäude, das die Volksschüler in Massen ausspuckte. Manuela erkannte ihre zwei Kinder sofort in dem Haufen und winkte ihnen. Mit seinem Fußball in der einen und dem Turnbeutel in der anderen Hand kam Florian auf sie zu.
»Mama«, sagte er, »kannst du meine Schultasche mit nach Hause nehmen?«
»Schatz, wieso?«
»Weil ich zum Fußball muss.«
»Du musst?«, fragte Klara und wischte sich eine Strähne aus ihrem Gesicht.
Florian ließ den Ball fallen und stoppte ihn unter seinem Fuß. »Heute ist das Training schon um halb zwei. Hat mir der Robert gesagt.«
»Der neue Trainer?«, fragte Manuela. Von einem Trainerwechsel bei der U9 von Rapid Oberlaa war nie die Rede gewesen. An ihr spurlos vorbeigezogen.
»Nein, Mama, das ist der Robert Gneiss aus der 3b«, bemerkte Klara und wandte sich an ihren Bruder. »Stimmt’s?«
Florian verzog schweigend das Gesicht. Dann gabelte er den Ball hoch und fing ihn sicher. »Mama, ich mache die Aufgabe nachher am Abend.«
»Die ist gleich nach dem Mittagessen Essen dran.« Manuela ging einige Schritte voraus.
»Ich mach’ sie am Abend.« Florian trottete hinterher. »Versprochen.«
»Nein!« Manuela verlieh ihrer Stimme Kraft. »Zuerst die Arbeit und dann das Spiel. Haben wir uns verstanden.«
»Ja.« Seine Miene verriet ihr, dass er Ja sagte, aber Nein meinte.
»Was hat dir die Lehrerin aufgegeben?«
»Eine Rechenaufgabe und eine Leseaufgabe.«
»Sobald du die Hausübung fertig hast, kannst du mit Robert zum Fußballtraining.«
Florian nickte und trottete schweigend neben Manuela und Klara her. Dass die erste Stunde nach dem Essen für die Aufgaben der Kinder draufging, bedeutete gerade heute ein Problem, wenn sie morgen die Postings für den Steuerberater abliefern musste. Seit ihr Schatz mit dem Ausbau seiner Urologie-Praxis begonnen hatte, war im Haushalt alles an ihr hängen geblieben. Sie hatte sich nicht als PR-Beraterin selbstständig gemacht, um als Hausfrau und Mutter in Oberlaa zu versauern. Dafür war ihr die kreative Stärke nicht gegeben worden, sondern um ihren Kunden neue Wege in der Welt der sozialen Medien aufzuzeigen. Der Erfolg ihrer Stammkunden gab ihr bislang recht. Damit das so blieb, musste auch Alexander einen Beitrag zur Kindererziehung leisten.
»Liebling«, wandte sich Manuela beim Mittagessen an Alexander. »Ich muss dringend die Postings für Peter Andino fertig machen. Kannst du heute die Kinder bei ihren Aufgaben beaufsichtigen?«
Ihr Mann schnaufte, dann runzelte er die Stirn. »Geht sich nicht aus.«
»Warum?« Manuela stutzte. Am Mittwoch hatte ihr Gatte keine Ordination. Er müsste doch Zeit haben.
»Um halb zwei«, Alexander sah auf die Uhr, »habe ich das Bankgespräch. Ich muss in einer Viertelstunde los.«
»Ah, das habe ich vergessen.« Manuela schlug seufzend die Hand vor das Gesicht. Noch gestern hatte sie mit ihrem Schatz über das Konzept für den Ausbau der Urologie-Praxis gesprochen, das den zuständigen Berater in der Bank überzeugen musste.
»Was ist denn los mit dir?« Ein besorgter Unterton lag in Alexanders Stimme. Er griff nach Manuelas Hand.
»Nichts. Ich habe es nur vergessen.«
»Es ist nicht das erste Mal.«
»Ich hab’ momentan nur viel um die Ohren.«
»Manu, das hast du dauernd.« Alexander sah sie eindringlich an. »Es wird langsam Zeit, dass du anfängst, dich besser zu organisieren.«
»Das war nur ein Ausrutscher.« Manuela zog die Hand weg. »Der kann doch jedem passieren.«
»Bei dir ist es eher ein Dauerschlittern.« Seine Augenbrauen zuckten. »Wieso hast du es nicht in den Kalender eingetragen?«
»Ich habe meine Termine im Hirn.« Manuela griff nach dem Messer. »Ich bin nicht der Generaldirektor von A1, der hundert Besprechungen am Tag hat.«
»Eine To-do-Liste würde dir nicht schaden.«
»Geh, komm.« Manuela schüttelte den Kopf. »Das ganze Getue rund um Tasks, Tickets und Meetings ist etwas für Manager und Büroleute. Ich werde mir doch nicht ›Wäsche aufhängen‹ oder ›Kinder zur Schule bringen‹ aufschreiben und es dann diensteifrig abhaken. Ich habe eh schon genug zu tun.«
»So wirst du aus deinem Chaos nicht rauskommen.«
»Wenn ich mir zusätzliche Bürokratie aufhalse, wird alles nur noch ärger.« Das Messer fiel Manuela aus der Hand. Es landete mit einem dumpfen Knall auf dem Tisch. »Außerdem ist dieses Beamtengetue der volle Kreativitätskiller. Wenn ich nur Aufgaben verwalte und sonst nichts mehr mache, kann ich mir einen Job als Sekretärin suchen.«
»Schatz, du musst nicht so extrem übertreiben.« Alexander stand auf. »Aber eine bessere Selbstorganisation würde dir guttun. Ich sehe ja, dass dir die Arbeit über den Kopf wächst.«
»Ich brauche diesen Zinnober nicht.« Manuela lachte auf. »Das Kreative lebt vom Unkonventionellen und vom Originellen. Genau das schätzen die Kunden. Das Individuelle und Maßgeschneiderte! Dafür braucht keiner ein Korsett von irgendwelchen Gurus, die mir sagen, wie ich meine Arbeit erledigen soll.«
»Mama«, schaltete sich ihr Sohn ins Gespräch ein. »Ich kann die Aufgabe auch am Abend machen. Ich geh mit dem Robert zum Fußball und du kannst jetzt arbeiten.«
»Florian«, sprang ihr Mann in die Presche. »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Gleich nach dem Essen ist die Hausübung dran.«
»Papa, nur heute eine Ausnahme«, bettelte der Bub. »Nur heute.«
»Wenn du die Aufgabe fertig hast, kannst du kicken gehen«, sagte Alexander und wandte sich an Manuela. »So, ich muss jetzt los. Halte mir die Daumen.«
»Wird schon klappen!« Sie lächelte ihrem Gatten zu.
Alexander schnappte sich den Aktenkoffer und verließ den Raum.
Ein kurzes Seufzen entwich ihr. Wenigstens kam am Mittwoch die Haushaltshilfe für neunzig Minuten ins Haus, doch das Lernen mit ihren Kindern musste sie selbst über die Bühne bringen. Immerhin brauchte sie heute nur das Geschirr vom Tisch zu nehmen und in den Spüler zu räumen; den Rest der Küchenarbeit konnte die Putzfrau übernehmen.
»Florian, zeig mir die Rechenaufgabe«, wandte sich Manuela an ihren Sohn.
Der trottete kurz in das Vorhaus, kam mit einem Heft und der Federtasche zurück und ließ die Sachen stärker als sonst auf den Tisch fallen. Mit einem grantigen Gesichtsausdruck schlug er das Mathebuch auf. Sein Finger fiel auf ein Arbeitsblatt, das dreistellige Additionen enthielt. »Die vier Blöcke da müssen wir machen.«
»Und bei dir, Klara?«, wandte sich Manuela an ihre Kleine.
»Die Lehrerin hat uns heute drei Rechenmauern gegeben.« Das Mädchen öffnete das Heft und griff nach dem Bleistift.
Bei der Tochter lief alles geschmiert, beim Sohn dauerte es eine halbe Stunde, bis Manuela ihre Kinder ziehen lassen konnte. Sie atmete durch. Endlich konnte sie sich in das Heimbüro zurückziehen und sich den letzten Arbeiten für den Steuerberater widmen. Sie setzte sich an den Schreibtisch und hatte nach einigen Klicks die geplanten Postings für Facebook und Instagram vor sich. Sie sahen gut aus – manche Beiträge bedurften noch der einen oder anderen Korrektur im Wording, doch das ließ sich bis zum Abendessen bewältigen.
»Frau Burger«, platzte die Haushaltshilfe ins Büro, »haben Sie Cif und Meister Propper? Beides ist aus und ich kann so nicht putzen. Außerdem brauch ich für den Spüler die Calgon-Tabs.«
»Das kann aber jetzt nicht sein!«, rief Manuela und erhob sich vom Drehstuhl. »Ich habe doch die Sachen erst eingekauft.«
Die Putzfrau schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts gefunden.«
»Haben S’ keine Augen?«, fuhr Manuela sie an. »Die sind in der Abstellkammer.«
»Entschuldigung.« Die Haushaltshilfe verließ den Raum.
Manuela atmete durch. Was, wenn die Raumpflegerin trotzdem recht hatte? Konnte es sein, dass sie die Putzmittel für den Schwager gekauft hatte? Sie musste in der Besenkammer nachsehen und folgte der Putzkraft.
»Sehen Sie.« Die Putzhilfe deutete auf die leeren Stellagen. »Alles weg.«
Also doch.
»Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte Manuela. »Ich werde in den Supermarkt fahren und die Sachen einkaufen. Können Sie das Bügeln vorziehen?«
Die Haushaltshilfe nickte.
»Fein.« Manuela schnappte sich den Schlüssel ihres VW Golf und begab sich zur Garage. Sie seufzte. Es wurde wieder mal eine Nachtschicht fällig.
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